Kalkofen

Quelle: Montafon, Autor: Julia Mangeng

Kalkofen
Kalkofen

Beschreibung

Schätze aus der Natur

Steine, Holz und Kalkmörtel - die Montafoner nutzten das, was die Natur ihnen schenkte. So prägen diese Baumaterialien das Aussehen vieler Gebäude bis heute. Der Rätikon ist reich an Kalkstein, einem der ältesten Baustoffe der Welt. Das Gestein wurde u.a. aus dem Wildbach Mustergiel in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Kalkofens gewonnen und dort mit Hilfe von immens viel Holz zu Branntkalk verarbeitet. Um den Kalk abzulöschen, wurde das Bachwasser verwendet. So standen die Kalköfen nicht nur in kalksteinreichen Gebieten, sondern auch meist in der Nähe von Gewässern und Wäldern. 

Dieser Kalkofen stammt noch aus einer Zeit, als mit heute kaum vorstellbarem Aufwand Kalk in Steinöfen gebrannt wurde. Die dazugehörige Sage, die jedoch nicht aus dem Montafon stammt, ist sehr grausam und sollte die Menschen wohl vor den Folgen warnen, die ein Seitensprung nach sich ziehen konnte.

Der Gang zum Kalkofen
Dem Weidenhofbauer hatte der unerbittliche Tod seine geliebte Frau und seinem einzigen Kind die Mutter geraubt. Nach Jahresfrist sah sich der Bauer zum zweitenmal nach einer Hausfrau um, und bald schaltete und waltete wieder eine schmucke Bäuerin auf dem Weidenhofe. Mit Liebe nahm sie sich auch ihres Stiefkindes, des Loisele, an, und als sie selbst ein Söhnlein bekam, hätte niemand sagen können, dass sie ihr eigenes Kind dem andern vorziehe. So vergingen mehrere Jahre in ungestörtem Glück.
Da ereignete es sich, dass der alte Kalkbrenner starb und sein Sohn, der gerade vom Militär frei wurde, die Hantierung übernahm. Als die Weidenhoferin den jungen, kecken und dabei bildhübschen Burschen sah, entbrannte ihr Herz in heißer Liebe zu ihm. Sie fing an, ihren Mann zu vernachlässigen, wurde auch gegen ihren Stiefsohn hart und lieblos, obwohl er ein sehr braves und frommes Kind war. Ja, es kam so weit, dass sie ihre Leidenschaft nicht mehr beherrschen konnte und den jungen Kalkbrenner aufsuchte, sooft ihr Mann auswärts zu tun hatte. Der Bauer wurde endlich argwöhnisch und fragte sein Söhnchen, den Loisl, wo die Mutter während seiner Abwesenheit gewesen sei. „Zum Kalkbrenner hinaus ist sie“, sagte das Büblein, „und ich und der Jörgele haben derweil miteinander gehäuselt.“ Der Bauer stellte nun sein ungetreues Weib zur Rede; sie aber leugnete alles rundweg ab, und es gelang ihr auch, ihren Mann wieder zu beruhigen.
Bei nächster Gelegenheit klagte sie ihrem Liebsten, dass der kleine Loisl sie beim Vater verscherge, und sie daher nicht mehr zu ihm hinauskommen könne, solange der Bub im Haus sei: „Du mußt mir helfen, ihn auf die Seite zu bringen.“ Der Bursche erschrak, willigte aber schließlich doch ein, da er vermeinte, ohne die Besuche der schönen Burga nicht mehr weiterleben zu können.
„Schick den Loisl morgen zu mir! Dann wirf ich ihn in die Kalkgrube“, sagte er. Anderntags, als der Bauer auf dem Felde arbeitete, schickte das verblendete Weib wirklich ihren Stiefsohn mit einem Auftrag hinaus zum Kalkbrenner. Bei der Muttergotteskapelle, wo der Knabe oft zu beten pflegte, kniete er auch heute vor dem Marienbild nieder und betete aus kindlich frommem Herzen. Dann pflückte er noch beide Händchen voll der schönsten Feldblumen und legte sie der Muttergottes zu Füßen. Inzwischen wollte der kleine Jörgele seinem Bruder nach und kam früher als dieser zum Kalkbrenner. — Als der Loisl hinkam, traf er den Mann nicht mehr dort und machte sich unverrichteter Sache wieder auf den Heimweg. Wie die Bäuerin ihren Stiefsohn daherkommen sah, sank sie vor Schreck wie leblos nieder; es hatte der Kalkbrenner, welcher die beiden Knaben nicht voneinander kannte, ihren eigenen Sohn in die Kalkgrube geworfen.

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